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Durchführung eines Kapitalanleger-Musterverfahrens gegen die Porsche Holding SE (PSE) und die Volkswagen AG abgelehnt

Geld & Recht | Lesezeit: ca. 7 Minuten

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat entschieden, dass das mit Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 28.02.2017 eingeleitete Kapitalanleger-Musterverfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart gegen die Porsche Automobil Holding SE (PSE) und die Volkswagen AG unzulässig ist und derzeit kein Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz durchgeführt werden kann.

Dem liegt zugrunde, dass beim Landgericht Stuttgart in den Jahren 2016 und 2017 eine Vielzahl von Schadensersatzklagen von Aktionären eingegangen waren, die der Porsche Automobil Holding SE (PSE) vorwarfen, sog. Ad-hoc-Meldungen zu den seit 2008 verwendeten Abschalteinrichtungen in Fahrzeugen des Volkswagen (VW)-Konzerns unterlassen zu haben. Die Kläger hätten aufgrund der unterlassenen Mitteilungen über die kursrelevanten Vorgänge um den Diesel-Abgasskandal und seine Aufklärung in den Jahren 2014/2015 Aktien zu teuer erworben, so dass Kursdifferenzschäden von bis zu 1 Milliarde Euro eingetreten seien.

Zu diesen Fragestellungen hatte das Landgericht im Mai 2017 dem Oberlandesgericht Stuttgart einen im Bundesanzeiger veröffentlichten Vorlagebeschluss vom 28.02.2017 vorgelegt. Darin wurde insbesondere die Frage aufgeworfen, inwieweit die PSE als Holding und Mehrheitsgesellschafterin neben der VW-AG wegen dieser Vorgänge im Unternehmen der VW-AG selbständig ad-hoc-pflichtig sei und inwieweit Kenntnisse im VW-Konzern, insbesondere beim damaligen Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. Winterkorn, damals zugleich Vorstandsvorsitzender bei der PSE, auch der PSE zugerechnet werden können.

Bereits 2016 wurde mit einem Vorlagebeschluss des Landgerichts Braunschweig wegen zahlreicher Klagen gegen die Volkswagen AG ein Musterverfahren vor dem Oberlandesgericht Braunschweig eingeleitet, in dem vergleichbare Vorwürfe geklärt werden sollen, dass auch die VW-AG u.a. gebotene Ad-hoc-Mitteilungen über diese Vorgänge unterlassen habe.

Damit war die schon von den Parteien in den Stuttgarter Prozessen und vom Landgericht erörterte Frage aufgeworfen, ob der Durchführung des Musterverfahrens vor dem Oberlandesgericht Stuttgart die im Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz (KapMuG) angeordnete Sperrwirkung eines früher eingeleiteten Musterverfahrens entgegensteht. Nach den §§ 7, 8 KapMuG kann kein zweites Musterverfahren eingeleitet werden, wenn die Ausgangsprozesse bereits im Hinblick auf die in einem anhängigen Musterverfahren zu klärenden Fragen, sog. Feststellungsziele, auszusetzen wären, weil diese Fragen auch für die Entscheidung in den weiteren Ausgangsprozessen relevant sind.

Das Oberlandesgericht Braunschweig hat schon 2018 in mehreren Beschlüssen (vom 15.06.2018 und vom 23.10.2018) entschieden, dass auch Klagen gegen die PSE wegen unterlassener Ad-hoc-Mitteilungen von den Feststellungszielen vor dem Oberlandesgericht Braunschweig abhängen und deshalb nicht dieselben Fragestellungen um die Vorgänge bei VW in einem zweiten Musterverfahren geklärt werden dürfen.

In Übereinstimmung damit hat heute auch der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart entschieden, dass die Ausgangsverfahren vor dem Landgericht Stuttgart bereits im Hinblick auf das Braunschweiger Musterverfahren auszusetzen wären und deshalb die Durchführung eines weiteren Musterverfahrens gesperrt ist. Das KapMuG bezweckt eine Bündelung der Verfahren, um sich widersprechende Entscheidungen und doppelten Aufwand etwa für eine Beweisaufnahme zu vermeiden. Dies gilt nach Auffassung des Senats unabhängig davon, dass es in den Verfahren in Stuttgart und Braunschweig um Ad-hoc-Mitteilungen in Bezug auf unterschiedliche Wertpapiere zweier Emittenten (PSE und VW) geht. Bei beiden ist der Lebenssachverhalt jedenfalls insoweit identisch, als es einheitlich um die klärungsbedürftigen Vorgänge im Unternehmen der VW-AG geht und dazu dieselben Rechtsfragen zu beantworten sind. Der Senat sieht insoweit eine beachtliche Schnittmenge von Sach- und Rechtsfragen, die sich in beiden Musterverfahren stellen.

Soweit darüber hinaus in Bezug auf die PSE zusätzliche Gesichtspunkte zu beantworten sein sollten, die Voraussetzung dafür wären, dass PSE als Mutterunternehmen für die Vorgänge bei der Tochter VW haftet, so kommt eine Klärung in einem Musterverfahren in Stuttgart erst dann in Betracht, wenn das Musterverfahren in Braunschweig rechtskräftig abgeschlossen ist und sich nach dessen Ergebnis diese zusätzlichen Fragen weiterhin stellen. Auch in diesem Punkt teilt der 20. Zivilsenat die Auffassung des Oberlandesgerichts Braunschweig. Bei den ausschließlich die PSE betreffenden Rechtsfragen handelt es sich z.B. um solche zu einer eigenen Ad-hoc-Pflicht einer Muttergesellschaft über Insiderinformationen aus der Sphäre der Tochtergesellschaft oder zur Zurechnung von Kenntnissen und Versäumnissen der Tochtergesellschaft und ihres Vorstands.

In zwei weiteren Verfahren, in denen ausschließlich Fragen zur örtlichen Zuständigkeit für Anleger-Klagen gegen VW und PSE vorgelegt waren, hat der Senat ebenfalls mit heute verkündeten Beschlüssen die Durchführung zusätzlicher Musterverfahren wegen der Sperrwirkung durch das Braunschweiger Musterverfahren für unzulässig erklärt.


OLG Stuttgart, 27.03.2019 - Az: 20 Kap 2/17, 20 Kap 4/17, 20 Kap 3/17

Nachfolgend: BGH, 16.06.2020 - Az: II ZB 10/19

Quelle: PM des OLG Stuttgart

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