Das Risiko, dass ein abgesandtes Abmahnschreiben auf dem Postweg verlorengegangen ist, trägt grundsätzlich der Kläger. An den Nachweis der negativen Tatsache dürfen keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Ein Missbrauch ist nicht nur auf Seiten des Beklagten denkbar, der zu Unrecht den Zugang einer Abmahnung bestreitet, sondern auch auf Seiten des Klägers, der wahrheitswidrig die Absendung einer Abmahnung behauptet.
Der Kläger kann das Risiko, dass dem Beklagten der Nachweis des fehlenden Zugangs eines vorprozessualen Abmahnschreibens gelingt, dadurch verringern, dass er eine besondere Versandform - beispielsweise Einschreiben mit Rückschein - wählt oder in Eilfällen das Abmahnschreiben mit einfacher Post und parallel dazu noch per Telefax und/oder E-Mail übermittelt. Steht fest, dass die Abmahnung als Brief, als Telefax und als E-Mail abgesandt worden ist, erscheint das Bestreiten des Zugangs von vornherein in einem wenig glaubhaften Licht (§ 286 ZPO).
In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und in der Literatur wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass der Abmahnende den tatsächlichen Zugang eines vorprozessualen Abmahnschreibens nicht zu beweisen hat, das Risiko des Verlustes eines solchen Schreibens vielmehr vom Verletzer zu tragen ist. Es wird insbesondere darauf verwiesen, dass es auch unter dem Gesichtspunkt der Effektivität der Rechtsschutzgewährung unbillig und nicht zumutbar erscheine, dass der im Interesse des Rechtsverletzers tätig werdende Gläubiger die Kosten des Verfahrens tragen solle, wenn er mit der Absendung der Abmahnung das für den Zugang seinerseits Erforderliche getan habe und der Schuldner den Zugang bestreite.
Nach anderer Ansicht obliegt es im Bestreitensfall grundsätzlich dem Verletzten, nicht nur die ordnungsgemäße Absendung eines Abmahnschreibens, sondern auch dessen Zugang nachzuweisen.
Die maßgebliche Frage lautet jedoch nicht, wer für den Zugang der Abmahnung die Beweislast trägt; sie lautet vielmehr, wer darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat, ob der Beklagte im Falle eines sofortigen Anerkenntnisses Anlass zur Klage gegeben hat (§ 93 ZPO). Dass dies nicht der Kläger, sondern allein der Beklagte ist, ist im Prozessrecht allgemein anerkannt.
Genügt der Beklagte der ihm obliegenden Darlegungslast nicht, indem er nach qualifiziertem Vortrag des Klägers über die Absendungsumstände keinen Beweis für den fehlenden Zugang antritt, bleibt es bei der Kostenverteilung nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Der Beklagte trägt dann die Kosten des Rechtsstreits, auch wenn er den geltend gemachten Anspruch sofort anerkannt hat. Vorliegend hatte der Kläger die Absendung des Abmahnschreibens am selben Tag durch Einwurf in den Briefkasten des Postamts substantiiert vorgetragen und unter Beweisantritt gestellt sowie dargelegt, dass das Schreiben nicht wegen Unzustellbarkeit zurückgelangt sei. Der Beklagte blieb den ihm obliegenden Beweis für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 93 ZPO schuldig.