Hätte die öffentliche Zustellung bei sorgfältiger Prüfung der Akten nicht angeordnet werden dürfen und wird durch diesen vermeidbaren Sorgfaltsmangel schwerwiegend gegen die §§ 15 II 1 FamFG, 185 ZPO verstoßen, so ist die öffentliche Zustellung jedenfalls insoweit unwirksam, dass sie für den Beginn von Rechtsmittelfristen nicht maßgeblich sein kann.
Es obliegt dem von den Zustellungswirkungen begünstigten Beteiligten, alle geeigneten und zumutbaren Nachforschungen anzustellen, um den Aufenthalt des Zustellungsempfängers zu ermitteln, um die Voraussetzungen eines unbekannten Aufenthaltsortes (§§ 15 II 1 FamFG, 185 Nr. 1 ZPO) darzulegen.
Herrscht - wie hier in einer Kindschaftssache - Amtsaufklärungspflicht, so trifft das Gericht eine Nachforschungspflicht (
§ 26 FamFG), und die Beteiligten haben dabei mitzuwirken (
§ 27 I FamFG), indem sie alle ihnen zum Aufenthalt bekannten Umstände vollständig und wahrheitsgemäß mitteilen (§ 27 II FamFG).
Danach hätte die öffentliche Zustellung des angefochtenen Beschlusses vorliegend ganz offensichtlich nicht angeordnet werden dürfen, weil das Amtsgericht schon die aus den Akten ersichtlichen Nachforschungsmöglichkeiten ungenutzt gelassen hat.
Aus dem mit der Antragsschrift vorgelegten Bericht, den das Jugendamt im vorangegangenen Sorgeverfahren dem Amtsgericht erstattet hatte, hat das Amtsgericht ersehen können, dass unter der von dem Antragsteller angegebenen Anschrift der Antragsgegnerin auch deren Eltern wohnten.
Nach dem Fortzug der Antragsgegnerin lag es deshalb nahe, nachzuforschen, ob deren Eltern noch dort wohnen, um sie verbindlich aufzufordern, die Anschrift ihrer Tochter mitzuteilen. Eine solche Anfrage war nicht von vornherein ohne Erfolgsaussicht.
Selbst wenn die Eltern - wie das Jugendamt von einem der Elternteile berichtet - andere Anfragen nach dem Aufenthalt ihrer Tochter nicht oder nicht wahrheitsgemäß beantwortet haben sollten, steht damit nicht fest, dass sie sich gegenüber einem Gericht ebenso verhalten.
Zudem hat der Antragsteller schwerwiegend gegen seine Mitwirkungspflicht (§ 27 FamFG) verstoßen.
Die Pflicht, für das Verfahren erhebliche Umstände wahrheitsgemäß und vollständig mitzuteilen, trifft ihn keineswegs nur auf Nachfrage des Gerichts. Jedenfalls Umstände, die offensichtlich für die Verfahrensführung oder für die anstehende Entscheidung von Bedeutung sind, hat jeder Beteiligte kraft der gesetzlichen geregelten Verpflichtung selbständig mitzuteilen, auch wenn das Gericht nicht nachfragt oder die Bedeutung eventuell selbst noch gar nicht erkannt hat.
Bei der Adresse der Antragsgegnerin handelt es sich um einen solchen offensichtlich bedeutsamen Umstand.
Ihr ist während des Verfahrens rechtliches Gehör zu gewähren und nach ergangener ihr ungünstiger Entscheidung die Möglichkeit der Anfechtung zu eröffnen.
Dass es auf Nachforschungen ankommen wird, wusste der Antragsteller, der selbst einen Wegzug mit unbekanntem Ziel vorgetragen hat. In dieser Lage hatte er nicht nur eine nach seiner Ansicht feststehende, gesicherte Erkenntnis mitzuteilen, sondern auch alle Anhaltspunkte, die das Gericht zu Nachforschungen nach dem Verbleib der Antragsgegnerin nutzen könnte.
Ein solcher Anhaltspunkt war die dem Antragsteller bekanntgewordene Adresse, auch wenn er selbst dort bislang keinen Kontakt zur Antragsgegnerin herstellen konnte. Es kann nicht anders als eine schwere Nachlässigkeit beurteilt werden, diese Adresse vor dem Beginn dieses Verfahrens dem Bundesamt für Justiz und dem Oberlandesgericht Köln im Rückführungsverfahren und nach dem Abschluss dieses Verfahrens der Staatsanwaltschaft Potsdam im Ermittlungsverfahren mitzuteilen, nicht aber dem Amtsgericht während des Verlaufs dieses Verfahrens.
Diese Nachlässigkeit wiegt auch als Sorgfaltsmangel schwer, so dass hier nicht vertieft werden muss, ob dieses Verhalten als ein bewusst unredliches Erschleichen einer öffentlichen Zustellung sowohl der Antragsschrift als auch des angefochtenen Beschlusses beurteilt werden muss.
Wäre dem Amtsgericht die Adresse bekannt gewesen, so hätte es bei der Stadtverwaltung nachfragen können. So hätte auch ein Umzug der Antragsgegnerin an eine andere Adresse mitgeteilt werden können, denn die Antragsgegnerin hat sich - wie sie lückenlos nachgewiesen hat - stets ordnungsgemäß umgemeldet.