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Rücknahme der Bewilligung von Corona-Soforthilfe

Corona-Virus | Lesezeit: ca. 8 Minuten

1. Ein Soloselbständiger, der sein insgesamt unterhalb der Pfändungsfreigrenzen liegendes Nettoeinkommen aus insgesamt drei Einkunftsarten (selbständige Tätigkeit: Geigenunterricht, Auftritt als Musiker; Gewerbliche Tätigkeit: Geigenverleih, Pultmappenproduktion; Vermietung: einer Ferienwohnung) erzielt, betreibt ein im Grundsatz förderungsfähiges „Unternehmen“ im Sinne der „Corona-Soforthilfe-Richtlinie“ des Wirtschaftsministeriums Baden-Würrtemberg (vom 22.03.2020) bzw. der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg für die Gewährung von Überbrückungshilfen als Billigkeitsleistungen für von der Coronakrise in ihrer Existenz bedrohte Soloselbständige, kleine Unternehmen und Angehörige der Freien Berufe (vom 08.04.2020).

Das gilt ungeachtet dessen, dass bezüglich der Vermietung keine Gewerbeanmeldung vorliegt und ob die daraus erzielten Einnahmen weniger als ein Drittel des Gesamteinkommens ausmachen, da in diesem Fall wegen des geringen Nettogesamteinkommens eine künstliche Aufspaltung des Unternehmens in einzelne Betriebsarten und deren isolierte Einstufung als nicht förderungsfähige „wirtschaftliche Tätigkeit im Nebenerwerbsbetrieb“ mit dem Sinn und Zweck der Corona-Soforthilfe Regelungen unvereinbar sind.

2. Ein Unternehmen ist nur dann ein - grundsätzlich von der Förderung durch Corona-Soforthilfe-Leistungen ausgeschlossenes - „Unternehmen in Schwierigkeiten“ im Sinne von Rz. 20 a – c der Leitlinie der EU Kommission (2014/C 249/01) bzw. des Art 2 Abs 18 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (Verordnung [EU] N.651/2014 der Kommission vom 17.06.2014), wenn es im Zeitpunkt der Beantragung der Soforthilfe „auf kurze oder mittlere Sicht so gut wie sicher zur Einstellung seiner Geschäftstätigkeit gezwungen sein wird“.

Im Regelfall ist diese Prognose zu treffen, wenn das Unternehmen bereits „Gegenstand eines laufenden Insolvenzverfahrens ist“ oder die „Voraussetzungen für die Eröffnung eines solchen auf Antrag seiner Gläubiger erfüllt sind“.

Eine atypische Ausnahme von diesem Regelfall liegt aber vor, wenn die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen das vom Einzelinhaber fortgeführte Vorgängerunternehmen zwar mangels Masse abgelehnt worden ist und er keine Privatinsolvenz mit Restschuldbefreiung durchführen konnte und Pfändungsversuche von Altgläubigern regelmäßig erfolglos verlaufen, aber sich der Umstand daher noch immer bestehender von ihm niemals mehr abbaubarer hoher Altschulden nicht kausal auf den Weiterbetrieb seines Unternehmens auswirkt, weil er den Betrieb so konzipiert hat, dass er mit den insgesamt daraus erzielten Einnahmen unterhalb der durch ein Pfändungsschutzkonto gesicherten Pfändungsfreigrenzen liegt und seit Jahren in dieser Form sein geringes Einkommen an der Grenze zum Existenzminimum erzielt, ohne während des Betriebs Kredit aufnehmen zu müssen, bzw. seine selbständigen Leistungen als Vorleistung erbringt, bzw. seine Einkäufe von Rohmaterial für die Pultmappenproduktion nur gegen Vorkasse tätigt.

3. Für die Corona-Soforthilfe-Förderung nach der o.g. Verwaltungsvorschrift vom 08.04.2020 aber auch nach der ihr vorangegangenen Richtlinie vom 22.03.2020 genügt allein die Darlegung eines gegenüber dem Vorjahr festzustellenden Umsatzeinbruchs/Gewinnausfalls als eigenständiger Förderungsgrund nicht. Erforderlich ist vielmehr zusätzlich, dass sich daraus ein sog. „Liquiditätsengpass“ ergibt, weil eine Gegenüberstellung ergibt, dass aus den laufenden Einnahmen die laufenden kurzfristigen Verbindlichkeiten ganz oder teilweise nicht mehr erfüllt werden können, so dass die wirtschaftliche Weiterexistenz des Unternehmens gefährdet ist. Zu den in die Berechnung des Liquditätsengpasses einzustellenden Ausgaben zählen nur die im Bewilligungszeitraum tatsächlich getätigten und geflossenen Ausgaben, die auch Investitionen zur Aufrechterhaltung des Weiterbetriebs umfassen können. Nicht berücksichtigungsfähig sind hingegen nur geplante, aber zurückgestellte, nicht getätigte Einkäufe von Rohmaterialien und Waren auf Vorrat, die erst für die Zukunft nach Ende des Förderungszeitraums den Weiterbetrieb sicherstellen sollen.

4.Zwei sich offenkundig widersprechende und daher paradoxe Angaben zu einem förderungsrelevanten Gesichtspunkt enthalten in der Gesamtbetrachtung gar keinen Aussagegehalt, der einer Einstufung als richtig oder unrichtig zugänglich wäre, und stellen daher keine „unrichtige Angabe“ im Sinne von § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 VwVfG dar. An einer „groben Fahrlässigkeit“, also einer besonders schweren Sorgfaltspflichtverletzung, fehlt es in Bezug auf die Richtigkeit eines Bewilligungsbescheids dessen Empfänger dann im Sinne von § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 VwVfG, wenn er als juristischer Laie die Fehlerhaftigkeit des Bescheids schon deshalb nicht „ohne Weiteres“ und „aufgrund einfachster, ganz naheliegender Überlegungen“ hätte erkennen können, weil die beim Bescheiderlass vorgeschaltet tätige Vorprüfungsinstanz und die letztentscheidende Bewilligungsbehörde selbst als fachkundige Stellen nicht erkannt haben, dass der Bescheid „so nicht richtig sein“ kann. Ist auf einen positiven Bewilligungsbescheid hin die bewilligte Summe gleichwohl nicht an den Bescheidempfänger ausgezahlt worden, so kann er die bewilligte Leistung zwar nicht verbraucht haben, er hat dann aber eine die Schutzwürdigkeit seines Vertrauens auf den Bestand des Bescheids im Regelfall begründende, nicht mehr in zumutbarer Weise rückgängig zu machende Vermögensdisposition im Sinne von § 48 Abs. 2 S. 2 VwVfG getroffen, wenn er sich mit Blick auf den Bescheid und in Erwartung der baldigen Auszahlung der bewilligten Summe privat Geld zur Überbrückung bis zum Empfang der Bewilligungen geliehen und diese privaten Schulden infolge seiner am untersten Randes des Existenzminimums verlaufenden wirtschaftlichen Lage nicht einfach zurückzahlen kann.


VG Freiburg, 10.09.2021 - Az: 9 K 763/21

ECLI:DE:VGFREIB:2021:0910.9K763.21.00

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