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Beherbergungsverbot und das Betriebsverbot für gastronomische Einrichtungen

Corona-Virus | Lesezeit: ca. 8 Minuten

Dass Maßnahmen zur Reduzierung von Kontakten grundsätzlich geeignet sind, Infektionsrisiken zu reduzieren, ist angesichts des Hauptübertragungswegs, der respiratorischen Aufnahme virushaltiger Partikel, die beim Atmen, Husten, Sprechen, Singen oder Niesen entstehen, nicht zweifelhaft.

Das Verbot von Übernachtungsangeboten zu privaten Zwecken verringert nicht nur infektionsbegünstigende Kontakte in den Unterkünften, sondern setzt der Mobilität Reisender Grenzen. Es sorgt dafür, dass die Zahl touristischer Aufenthalte und die damit im Zusammenhang stehenden möglichen infektionsrelevanten Sozialkontakte (Reiseweg, Aufenthalt am Ort und im Beherbergungsbetrieb, touristische Nutzung öffentlicher Angebote) verringert werden.

Das Beherbergungsverbot reduziert damit in nicht unerheblicher Weise die Attraktivität nicht notwendiger touristischer und sonstiger privater Aufenthalte. Auch wenn Touristen am Reiseziel wegen anderer Coronamaßnahmen nur begrenzte Freizeitmöglichkeiten haben, dient die Einschränkung der Mobilität dennoch dem Infektionsschutz. Dies dürfte auch nicht dadurch relativiert werden, dass einzelne Reisende am Reiseziel stattdessen Unterkunft bei Familie oder Freunden nehmen. Zwar wäre dies mit infektionsbegünstigenden Kontakten verbunden. Zum einen handelte es sich aber mit gewisser Wahrscheinlichkeit um bei einer solchen Reise ohnehin stattfindende Sozialkontakte. Zum anderen dürfte dies nur einen kleinen Anteil der geplanten Reisen betreffen. Es dürfte anzunehmen sein, dass ein Großteil der für die nächste Zeit geplanten Reisen stattdessen gänzlich unterbleibt. Dies wirkt einer unkontrollierten oder unbemerkten Verschleppung des Coronavirus entgegen.

Auch das Betriebsverbot für gastronomische Einrichtungen trägt zur Kontaktreduzierung bei. In gastronomischen Einrichtungen, die in den Wintermonaten schwerpunktmäßig in geschlossenen Räumlichkeiten betrieben werden, kommt eine größere Zahl wechselnder Personen für einen längeren Zeitraum nicht nur zum Essen, sondern auch zum geselligen Beisammensein zusammen. Auch unter Beachtung der bereits bestehenden Hygienekonzepte und der aktuell geltenden zulässigen Gruppengrößen lässt sich eine Weiterverbreitung des Coronavirus in solchen Einrichtungen nicht ausschließen, weil die Gäste jedenfalls während des Essens und Trinkens keine Alltagsmaske tragen können und sich eine Verbreitung von potentiell virushaltigen Tröpfchen und Aerosolen in der Luft nicht verhindern lässt.

Dies gilt grundsätzlich entsprechend, wenn es sich um ein gastronomisches Angebot allein für Gäste eines Beherbergungsbetriebs handelt.

Zur Klarstellung wird aber darauf hingewiesen, dass das Verbot gastronomischer Einrichtungen sich nicht auf die Bewirtung von Personen erstreckt, die nach den geltenden Regelungen noch beherbergt werden dürfen, wie z. B. Dienstreisende. Dies ist aus § 15 Abs. 1 Satz 3 CoronaSchVO zu schließen, wonach bei der Beherbergung von Reisenden einschließlich ihrer gastronomischen Versorgung Hygiene- und Infektionsschutzstandards nach § 4 zu beachten sind. Auch hat der Verordnungsgeber mit der Regelung in § 15 Abs. 1a CoronaSchVO für die Übernachtung von Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrern auf Rastanlagen und Autohöfen, die auf eine entsprechende Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 3 CoronaSchVO verweist, zu erkennen gegeben, dass bei berufsbedingt genutzten Übernachtungsangeboten eine gastronomische Versorgung weiterhin möglich sein soll.

Die Verbote dürften jedenfalls in der gegenwärtigen Situation, in der die Inzidenz in Nordrhein-Westfalen stetig ansteigt und derzeit (Stand 20. Dezember 2020) im landesweiten Schnitt 182 beträgt, auch angemessen sein. Angemessen, d. h. verhältnismäßig im engeren Sinne, ist eine freiheitseinschränkende Regelung, wenn das Maß der Belastung des Einzelnen noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen steht. Hierbei ist eine Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen, deren Wahrnehmung der Eingriff in Grundrechte dient, und den Auswirkungen auf die Rechtsgüter der davon Betroffenen notwendig. Die Interessen des Gemeinwohls müssen umso gewichtiger sein, je empfindlicher der Einzelne in seiner Freiheit beeinträchtigt wird. Zugleich wird der Gemeinschaftsschutz umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können.

Davon ausgehend sind die fraglichen Regelungen bei vorläufiger Bewertung nicht zu beanstanden, weil die Schwere der damit erneut verbundenen Grundrechtseingriffe voraussichtlich noch nicht außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Verordnungszweck steht. Das Betriebsverbot für gastronomische Einrichtungen und das Beherbergungsverbot zu privaten Zwecken greifen in ganz erheblicher Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und gegebenenfalls auch das von der Eigentumsgarantie erfasste Recht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs (Art. 14 Abs. 1 GG) der betroffenen Betreiber ein. Dieser Eingriff erweist sich aber gemessen an dem damit bezweckten Gesundheitsschutz der Bevölkerung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) voraussichtlich als gerechtfertigt angesichts der gravierenden und teils irreversiblen Folgen, die ein weiterer unkontrollierter Anstieg der Zahl von Neuansteckungen für Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen hätte. Dabei ist auch in Rechnung zu stellen, dass die betroffenen Betriebe staatliche Unterstützungsleistungen in Anspruch nehmen können, die die finanziellen Einbußen in gewissem Maß abfedern. Hierzu gehört die November- bzw. Dezemberhilfe, die von Anfang November bis Ende Dezember 2020 für jeden Tag, an dem ein Unternehmen von dem Corona-bedingten Lockdown direkt, indirekt oder über Dritte betroffen war, in Form einer Pauschale i. H. v. bis zu 75 % des entsprechenden Vorjahresumsatzes geleistet wird.


OVG Nordrhein-Westfalen, 26.03.2021 - Az: 13 B 363/21.NE

ECLI:DE:OVGNRW:2021:0326.13B363.21NE.00

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