Vorliegend ging es um den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen
1. die Pflicht zum Tragen einer textilen Mund-Nase-Bedeckung,
2. den Entwurf des Bundeskabinetts eines Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 29. April 2020.
Die Verfassungsbeschwerde wurde als unzulässig zurückgewiesen.
Hierzu führte das Gericht u.a. aus:
1. Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1, § 59 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen (VerfGHG) vom 14. Dezember 1989 (GV. NRW. S. 708, ber. 1993 S. 588), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Verfassungsgerichtshofgesetzes vom 21. Juli 2018 (GV. NRW. S. 400), durch die Kammer zurückgewiesen, weil sie unzulässig ist.
a) Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, eine Pflicht zum Tragen einer textilen Mund-Nase-Bedeckung (sog. „Maskenpflicht“) könne nicht wirksam angeordnet werden, und er sich damit der Sache nach gegen die in § 12a der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung) vom 22. März 2020, zuletzt geändert durch die Dritte Verordnung zur Änderung von Rechtsverordnungen zum Schutz vor dem Coronavirus SARS-CoV-2 vom 6. Mai 2020 (GV. NRW. 2020 S. 316d), geregelte Pflicht zum Tragen einer solchen Bedeckung wendet, ist sie jedenfalls mangels Erschöpfung des Rechtswegs unzulässig.
aa) Ist gegen die behauptete Verletzung der Rechtsweg zulässig, kann die Verfassungsbeschwerde gemäß § 54 Satz 1 VerfGHG erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden. Ein solcher Rechtsweg steht dem Beschwerdeführer mit einem unmittelbar gegen die Coronaschutzverordnung gerichteten Normenkontrollantrag zum Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen offen.
Seit dem 1. Januar 2019 können Verordnungen des Landes gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 109a JustG NRW im Verfahren der Normenkontrolle durch das Oberverwaltungsgericht überprüft werden. Der hierdurch eröffnete Rechtsschutz kann den Bürgern auch in der derzeitigen Situation zeitnah und effektiv gewährt werden, zumal kein Instanzenzug zu durchlaufen, sondern das Oberverwaltungsgericht erst- und letztinstanzlich zuständig ist. Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann es auch eine einstweilige Anordnung erlassen.
bb) Eine Entscheidung vor Erschöpfung dieses Rechtswegs ist nicht angezeigt. Diese Möglichkeit besteht gemäß § 54 Satz 2 VerfGHG ausnahmsweise, wenn die Verfassungsbeschwerde von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde. Zwar hat die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Corona-Schutzverordnung allgemeine Bedeutung. Die Abwägung im Rahmen des durch § 54 Satz 2 VerfGHG eröffneten Ermessens fällt aber dennoch gegen eine sofortige Sachentscheidung des Verfassungsgerichtshofs aus. Eine derartige Vorabentscheidung kommt in der Regel nämlich dann nicht in Betracht, wenn entscheidungserhebliche Tatsachen noch nicht aufgeklärt sind oder die einfachrechtliche Lage nicht hinreichend geklärt ist. Die grundsätzliche Notwendigkeit der Rechtswegerschöpfung soll unter anderem gewährleisten, dass dem Verfassungsgerichtshof in der Regel nicht nur die abstrakte Rechtsfrage und der Sachvortrag des Beschwerdeführers unterbreitet werden, sondern dass auch die Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch ein für diese Materie zuständiges Gericht vorliegt. Der Vorklärung durch die Fachgerichte kommt insbesondere dort Bedeutung zu, wo die Beurteilung der mit der Verfassungsbeschwerde erhobenen Rügen die Prüfung tatsächlicher oder einfachrechtlicher Fragen voraussetzt, für die das Verfahren vor den Fachgerichten besser geeignet ist.
Dies ist hier der Fall. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Zweifel an der Vereinbarkeit der durch Rechtsverordnung geregelten sog. Maskenpflicht mit höherrangigem Recht, insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, können sachgerecht durch das Oberverwaltungsgericht geklärt werden. Zudem kann die Coronaschutzverordnung durch das Oberverwaltungsgericht im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens umfassend auch am Maßstab des Bundesrechts, insbesondere hinsichtlich ihrer vom Beschwerdeführer bezweifelten Vereinbarkeit mit ihrer bundesgesetzlichen Rechtsgrundlage, überprüft werden. Für die verfassungsrechtliche Beurteilung der angegriffenen Verordnung sind ferner die tatsächliche Entwicklung und die Rahmenbedingungen der aktuellen Coronavirus-Pandemie sowie fachwissenschaftliche – virologische, epidemiologische, medizinische und psychologische – Bewertungen und Risikoeinschätzungen von wesentlicher Bedeutung. Daher besteht auch in tatsächlicher Hinsicht Bedarf an einer fachgerichtlichen Aufbereitung der Entscheidungsgrundlagen vor einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofs.
Angesichts der Möglichkeiten des fachgerichtlichen Rechtsschutzes, die auch den vorläufigen Rechtsschutz umfassen, entsteht dem Beschwerdeführer durch die Verweisung auf den Rechtsweg auch kein schwerer und unabwendbarer Nachteil im Sinne des § 54 Satz 2 VerfGHG.
cc) Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die Pflicht zum Tragen einer textilen Mund-Nase-Bedeckung inzwischen bereits Gegenstand einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen war, in der es diese Pflicht als voraussichtlich rechtmäßig angesehen hat. Insbesondere ist deshalb die Rechtswegerschöpfung nicht wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit eines Normenkontrollantrags und eines Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes unzumutbar.
§ 12a der Coronaschutzverordnung in der derzeit gültigen, gegenüber der Vorgängerfassung durch Ausweitung der Maskenpflicht verschärften Fassung war noch nicht Gegenstand einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts. Zudem erfordern die vergleichsweise kurzfristigen Entwicklungen der Coronapandemie eine jeweils aktuelle Feststellung und Würdigung der tatsächlichen Umstände und eine dementsprechend aktualisierte Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Pflicht zum Tragen einer textilen Mund-Nase-Bedeckung. Vor diesem Hintergrund steht nicht von vornherein mit hinreichender Gewissheit fest, dass das Oberverwaltungsgericht im Falle einer erneuten Befassung mit der sog. Maskenpflicht keine andere Entscheidung treffen würde. Unter diesen Umständen ist es nicht unzumutbar, überhaupt den Rechtsweg zu beschreiten. Deshalb darf ein Beschwerdeführer in Fällen der vorliegenden Art nicht – wie hier – von vornherein jedwede Inanspruchnahme des fachgerichtlichen Rechtsschutzes unterlassen und sich direkt an den Verfassungsgerichtshof wenden. Es darf ihm abverlangt werden, den ihm offen stehenden Rechtsweg in Sinne des § 54 Satz 1 VerfGHG zu begehen und so den nicht von vornherein aussichtslosen Versuch zu unternehmen, die gerügte Grundrechtsverletzung zuvörderst durch das Fachgericht beheben oder verhindern zu lassen.
b) Soweit sich der Beschwerdeführer gegen den Entwurf des Bundeskabinetts eines Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 29. April 2020 wendet, ist dies kein Akt der öffentlichen Gewalt des Landes im Sinne des Art. 75 Nr. 5a LV, § 53 Abs. 1 VerfGHG und damit kein zulässiger Beschwerdegegenstand.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, die auf eine vorläufige Regelung bis zur Entscheidung in der Hauptsache gerichtet ist, erledigt sich mit dem Beschluss über die Verfassungsbeschwerde.