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Die Bestimmung eines Drittstaats als „sicherer Herkunftsstaat“ muss Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Überprüfung sein können

Ausländerrecht | Lesezeit: ca. 6 Minuten

Der Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger stellt, kann im beschleunigten Verfahren an der Grenze abgelehnt werden, wenn sein Herkunftsstaat von einem Mitgliedstaat als „sicher“ bestimmt wird. Der Gerichtshof stellt klar, dass diese Bestimmung durch einen Gesetzgebungsakt erfolgen kann, sofern dieser Akt Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Überprüfung hinsichtlich der Einhaltung der im Unionsrecht festgelegten materiellen Kriterien sein kann. Die dieser Bestimmung zugrunde liegenden Informationsquellen müssen dem Antragsteller und dem nationalen Gericht zugänglich sein. Ein Mitgliedstaat darf jedoch einen Staat nicht in die Liste sicherer Herkunftsstaaten aufnehmen, wenn dieser Staat nicht seiner gesamten Bevölkerung einen ausreichenden Schutz bietet.

Nach der Richtlinie 2013/32/EU können die Mitgliedstaaten die Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz beschleunigen und diese Prüfung an der Grenze durchführen, wenn die Anträge durch Angehörige von Drittstaaten gestellt werden, bei denen davon auszugehen ist, dass sie einen ausreichenden Schutz bieten. In Italien erfolgt diese Bestimmung von Drittstaaten als „sichere Herkunftsstaaten“ seit Oktober 2024 durch einen Gesetzgebungsakt. Nach diesem Akt gilt in Italien Bangladesch als solch ein „sicherer Herkunftsstaat“.
In diesem Rahmen wurden zwei von italienischen Behörden auf See gerettete Staatsangehörige von Bangladesch gemäß dem Italien-Albanien-Protokoll in eine Gewahrsamseinrichtung in Albanien verbracht, wo sie einen Antrag auf internationalen Schutz stellten. Ihr Antrag wurde von den italienischen Behörden im beschleunigten Verfahren an der Grenze geprüft und als unbegründet abgelehnt, weil ihr Herkunftsland als „sicher“ gelte.

Die Kläger fochten die Ablehnungsentscheidung vor dem Gericht Rom an, das den Gerichtshof angerufen hat, um die Anwendung des Konzepts des sicheren Herkunftsstaats und die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten in Bezug auf eine wirksame gerichtliche Überprüfung zu klären. Das vorlegende Gericht führt aus, dass der Gesetzgebungsakt vom Oktober 2024 – im Gegensatz zur früheren Regelung – nicht die Informationsquellen angebe, auf die sich der italienische Gesetzgeber gestützt habe, um die Sicherheit des Staates zu bewerten. Daher werde sowohl dem Antragsteller als auch der Justizbehörde die Möglichkeit genommen, die Rechtmäßigkeit einer solchen Sicherheitsvermutung zu bestreiten und kontrollieren zu lassen, indem u. a. die Herkunft, die Verlässlichkeit, die Glaubwürdigkeit, die Relevanz, die Aktualität und die Vollständigkeit dieser Quellen geprüft wird.

Der Gerichtshof antwortet, dass das Unionsrecht es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, einen Drittstaat durch einen Gesetzgebungsakt als sicheren Herkunftsstaat zu bestimmen, sofern diese Bestimmung Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Überprüfung sein kann. Diese Überprüfung muss sich auf die Einhaltung der in Anhang I der Richtlinie vorgesehenen materiellen Voraussetzungen für eine solche Bestimmung erstrecken, insbesondere dann, wenn ein Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung eingelegt wird, mit der ein Asylantrag im beschleunigten Verfahren abgelehnt wird, das auf die Angehörigen der als sicher bestimmten Staaten anwendbar ist.

Der Gerichtshof betont auch, dass die Informationsquellen, auf denen eine solche Bestimmung beruht, sowohl für den Antragsteller als auch für das zuständige Gericht hinreichend zugänglich sein müssen. Diese Anforderung soll einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gewährleisten, der es dem Antragsteller ermöglicht, seine Rechte sachdienlich geltend zu machen, und dem nationalen Gericht, seine Kontrolle vollumfänglich auszuüben. Ferner kann das Gericht bei der Prüfung, ob einer solche Bestimmung die in Anhang I der Richtlinie vorgesehenen materiellen Voraussetzungen erfüllt, Informationen berücksichtigen, die es selbst eingeholt hat, sofern es deren Zuverlässigkeit prüft und beiden Verfahrensbeteiligten Gelegenheit gibt, zu diesen zusätzlichen Informationen Stellung zu nehmen.

Schließlich stellt der Gerichtshof klar, dass ein Mitgliedstaat bis zum Inkrafttreten einer neuen Verordnung, die die derzeit geltende Richtlinie ersetzen wird, einen Drittstaat nicht als „sicheren“ Herkunftsstaat bestimmen darf, der die materiellen Voraussetzungen für eine solche Bestimmung in Bezug auf bestimmte Personengruppen nicht erfüllt. Die neue Verordnung, die Ausnahmen für solche eindeutig identifizierbaren Personengruppen zulässt, wird am 12. Juni 2026 in Kraft treten, aber es steht dem Unionsgesetzgeber frei, diesen Zeitpunkt vorzuverlegen.


EuGH, 01.08.2025 - Az: C-758/24, C-759/24

ECLI:EU:C:2025:591

Quelle: PM des EuGH

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