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Unzureichende Beachtung der Tarifautonomie bei tariflichen Nachtzuschlägen

Arbeitsrecht | Lesezeit: ca. 3 Minuten

Die Tarifautonomie umfasst auch die rechtsverbindliche Wirkung der Tarifverträge in den tarifgebundenen Individualarbeitsverhältnissen. Diese verbindliche Wirkung erweitert und gefährdet die individuelle Freiheit der Tarifgebundenen. Das Koalitionsgrundrecht schützt die Mitglieder der Tarifvertragsparteien vor den mit der verbindlichen Wirkung verbundenen Freiheitsgefährdungen, indem die Tarifvertragsparteien jedenfalls den allgemeinen Gleichheitssatz bei der Tarifnormsetzung grundsätzlich zu achten haben.

Die Bindung an den allgemeinen Gleichheitssatz erfordert zugleich, den Zweck der Tarifautonomie, eine grundsätzlich autonome Aushandlung der Tarifregelungen zu ermöglichen, und den damit einhergehenden Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen; dies begrenzt die richterliche Kontrolldichte.

Wie weit die Gestaltungsspielräume der Tarifvertragsparteien im Einzelnen reichen, ist insbesondere abhängig von Regelungsgegenstand, Komplexität der Materie, den betroffenen Grundrechten sowie Art und Gewicht der Auswirkungen für die Tarifgebundenen.

Die Spielräume der Tarifvertragsparteien sind im Ausgangspunkt umso weiter, je näher die geregelten Sachverhalte am Kernbereich von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen liegen.

Die Spielräume sind insbesondere dann enger, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Minderheiten betroffen sind und diese oder spezifische Gruppeninteressen systematisch vernachlässigt wurden.

Bei Tarifnormen, deren Gehalte im Kernbereich der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen liegen und bei denen spezifische Schutzbedarfe nicht erkennbar sind, ist die gerichtliche Kontrolle am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG angesichts der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Spielräume der Tarifvertragsparteien auf eine Willkürkontrolle beschränkt.

Bei der Bestimmung der Rechtsfolgen gleichheitswidriger Tarifnormen müssen die Gerichte die Koalitionsfreiheit der Tarifvertragsparteien und insbesondere deren Spielräume in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beachten. Dieser grundrechtliche Spielraum setzt sich bei der Tarifnormsetzung im Falle verschiedener Möglichkeiten zur Beseitigung der Ungleichbehandlung als grundsätzlich primäre Korrekturkompetenz fort. Die erforderliche partielle Neuordnung der Arbeits- und Wirtschaftsbeziehungen zur Beseitigung einer Unvereinbarkeit von Tarifnormen mit der Verfassung ist auch im Rahmen der Rechtsfolgenbestimmung im Individualprozess im Ausgangspunkt den Tarifpartnern als ursprünglichen Normgebern zu überlassen.


BVerfG, 11.12.2024 - Az: 1 BvR 1109/21, 1 BvR 1422/23

Vorgehend: BAG, 09.12.2020 - Az: 10 AZR 335/20 (1 BvR 1109/21) und BAG, 22.03.2023 - Az: 10 AZR 600/20 (1 BvR 1422/23)

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