Das Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG ist in erster Linie ein Freiheitsrecht. Es schützt die individuelle Freiheit, Vereinigungen zur Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu bilden und diesen Zweck gemeinsam zu verfolgen. Darüber sollen die Beteiligten grundsätzlich frei von staatlicher Einflussnahme, selbst und eigenverantwortlich bestimmen können. Geschützt ist damit auch das Recht der Vereinigungen, durch spezifisch koalitionsmäßige Betätigung die in Art. 9 Abs. 3 GG genannten Zwecke zu verfolgen, wobei die Wahl der Mittel, die die Koalitionen zur Erreichung dieses Zwecks für geeignet halten, mit Art. 9 Abs. 3 GG grundsätzlich ihnen selbst überlassen ist.
Der Schutz der Koalitionsfreiheit erstreckt sich auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen. Er umfasst insbesondere die Tarifautonomie; geschützt ist insbesondere der Abschluss von
Tarifverträgen. Vom Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG erfasst sind auch
Arbeitskampfmaßnahmen, die auf den Abschluss von Tarifverträgen gerichtet sind, jedenfalls soweit sie erforderlich sind, um eine funktionierende Tarifautonomie sicherzustellen. Ein solches Mittel ist auch der Streik. Dabei erfordert der Umstand, dass beide Tarifvertragsparteien den Schutz von Art. 9 Abs. 3 GG prinzipiell gleichermaßen genießen, bei seiner Ausübung aber in scharfem Gegensatz zueinander stehen, koordinierende Regelungen. Die Möglichkeit des Einsatzes von Kampfmitteln bedarf rechtlicher Rahmenbedingungen, die sichern, dass Sinn und Zweck dieses Freiheitsrechts sowie seine Einbettung in die verfassungsrechtliche Ordnung gewahrt bleiben. Insoweit sind die Arbeitsgerichte berufen, Streitigkeiten zwischen den Tarifvertragsparteien über die Rechtmäßigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen zu entscheiden. Sie müssen das materielle Recht mit den anerkannten Methoden der Rechtsfindung aus den allgemeinen, zwischen Bürgern oder auch zwischen privaten Verbänden geltenden Rechtsgrundlagen ableiten, die für das betreffende Rechtsverhältnis maßgeblich sind.
Vorliegend ist nicht dargelegt, dass Art. 9 Abs. 3 GG gerade dadurch verletzt sein könnte, wie das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gehandhabt wurde.
Es kann insoweit dahinstehen, ob es verfassungsrechtlich geboten ist, im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes einen Verfügungsanspruch auf die Untersagung einer Arbeitskampfmaßnahme nur dann anzunehmen, wenn die beabsichtigte Maßnahme "offensichtlich" oder "eindeutig" rechtswidrig ist. Jedenfalls ist die Auffassung der Beschwerdeführerin, eine offensichtliche Rechtswidrigkeit könne nicht vorliegen, wenn das Gericht der ersten Instanz die Streikmaßnahme als rechtmäßig erachtet habe oder wenn im Tarifkonflikt bereits zuvor rechtmäßige Streikmaßnahmen stattgefunden hätten, nicht zwingend. Eine solche Bindung des Gerichts der zweiten Instanz steht im Widerspruch zum in
§ 64 Abs. 1 ArbGG vorgesehenen Grundsatz des Instanzenzuges. Auch die Tatsache, dass sich der Tarifkonflikt bereits länger hinzog und verschiedene Streikmaßnahmen gerichtlich unbeanstandet geblieben waren, führt nicht zu einer solchen Bindung des erkennenden Gerichts.
Es ist auch nicht erkennbar, dass das Landesarbeitsgericht höchstrichterlich noch nicht entschiedene Fragen zur Ermittlung und zur Bewertung eines Streikziels im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden hätte. Die Beschwerdeführerin vertritt die - umstrittene - Auffassung, von einer Unterlassungsverfügung sei grundsätzlich abzusehen, wenn sich die Rechtswidrigkeit eines Arbeitskampfes nur aufgrund rechtsfortbildender Überlegungen begründen ließe, weil die Erkenntnismöglichkeiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes begrenzt seien. Was hier verfassungsrechtlich geboten ist, muss jedoch offenbleiben. Denn es ist nicht dargelegt, dass die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts gerade auf rechtsfortbildenden Überlegungen oder einer Abweichung von höchstrichterlichen Grundsätzen beruht. Nicht nur betrifft die Rüge zur Ermittlung von Streikzielen ebenso wie die Rüge zur Bewertung der Streikziele eben materielle Fragen, die in einem Hauptsacheverfahren zu klären wären. Auch darüber hinaus ist nicht erkennbar, inwieweit die angegriffene Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über eine Anwendung der vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätze hinaus eine - möglicherweise unzulässige - Rechtsfortbildung beinhalten soll.
Die materiell entscheidende Frage, ob die Annahme des Landesarbeitsgerichts mit den Maßgaben des Art. 9 Abs. 3 GG zu vereinbaren ist, dass Arbeitskampfmaßnahmen zur Beeinflussung der Umsetzung unternehmerischer Maßnahmen stets rechtswidrig seien, war damit vorliegend nicht aufgeworfen.