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Mutterschutzgesetz (MuSchG) gewährt werdenden Müttern einen der stärksten Schutzmechanismen im deutschen Arbeitsrecht: den
besonderen Kündigungsschutz. Eine
Kündigung des
Arbeitsverhältnisses durch den
Arbeitgeber ist während der Schwangerschaft und in einer bestimmten Zeit nach der Entbindung grundsätzlich unzulässig. Doch was geschieht, wenn das Arbeitsverhältnis nicht durch eine Kündigung, sondern durch den Ablauf einer vertraglich vereinbarten Frist endet? Immerhin gibt es einen Unterschied zwischen einer Kündigung und dem automatischen Ende eines
Zeitvertrages …
Grundlegender Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz
Um die besondere Situation bei befristeten Verträgen zu verstehen, muss zunächst der Umfang des allgemeinen mutterschutzrechtlichen Kündigungsverbots klar sein. Nach
§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MuSchG ist die Kündigung gegenüber einer Frau während ihrer Schwangerschaft unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft bekannt ist oder sie ihm innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Dieses Verbot ist absolut und stellt ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB dar. Eine trotzdem ausgesprochene Kündigung ist von Anfang an nichtig und entfaltet keine rechtliche Wirkung.
Der Schutzzeitraum beginnt dabei nicht erst mit der Kenntnis der Arbeitnehmerin oder des Arbeitgebers, sondern bereits mit dem Beginn der Schwangerschaft selbst. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat hierzu eine klare Berechnungsmethode etabliert. In einer Entscheidung vom 24. November 2022 (Az:
2 AZR 11/22) bestätigte das Gericht seine ständige Rechtsprechung, wonach der Beginn des Kündigungsverbots in entsprechender Anwendung von
§ 15 MuSchG bestimmt wird. Es wird vom ärztlich festgestellten mutmaßlichen Tag der Entbindung um 280 Tage zurückgerechnet. Diese pauschale Berechnungsmethode dient der Rechtssicherheit und soll sicherstellen, dass der Schutz des Gesetzes vom frühestmöglichen Zeitpunkt an greift, auch wenn der genaue Empfängniszeitpunkt im Einzelfall nicht exakt bestimmbar ist. Die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen einer Schwangerschaft zum relevanten Zeitpunkt liegt dabei grundsätzlich bei der Arbeitnehmerin, wobei eine ärztliche Bescheinigung in der Regel als ausreichender Nachweis dient.
Die Reichweite dieses Schutzes ist enorm. Er erfasst nicht nur bestehende Arbeitsverhältnisse, sondern gilt nach der Rechtsprechung des BAG auch für eine Kündigung, die noch vor der vereinbarten Tätigkeitsaufnahme ausgesprochen wird. Hat eine schwangere Frau also einen
Arbeitsvertrag bereits unterzeichnet, soll die Arbeit aber erst in der Zukunft aufnehmen, kann der Arbeitgeber ihr nicht einfach vor dem ersten Arbeitstag kündigen (vgl. BAG, 27.02.2020 - Az:
2 AZR 498/19). Dies unterstreicht den Willen des Gesetzgebers, werdende Mütter umfassend vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes durch eine arbeitgeberseitige Kündigung zu schützen.
Was gilt bei einer Befristung, wenn der Vertrag „von selbst“ endet?
Bei Zeitverträgen liegt der entscheidende Unterschied in der Art der Beendigung. Ein befristetes Arbeitsverhältnis endet nämlich nicht durch eine Kündigung, also eine einseitige Willenserklärung des Arbeitgebers, sondern durch den Eintritt eines zukünftigen Ereignisses – nämlich des im Vertrag festgelegten Kalenderdatums oder der Erreichung eines bestimmten Zwecks. Dieser Vorgang wird als Fristablauf bezeichnet.
Genau hier liegt der Knackpunkt: Der besondere Kündigungsschutz des § 17 MuSchG verbietet explizit die Kündigung. Er trifft jedoch keine Aussage über das Auslaufen eines befristeten Vertrages. Die Rechtsprechung ist hier eindeutig: Der gesetzliche Mutterschutz verhindert nicht, dass ein zulässig befristetes Arbeitsverhältnis zum vereinbarten Zeitpunkt endet. Selbst wenn der Arbeitgeber von der Schwangerschaft der Mitarbeiterin weiß, ist er rechtlich nicht daran gehindert, den Vertrag einfach auslaufen zu lassen. Es ist ihm nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sogar gestattet, ein Arbeitsverhältnis von vornherein zu befristen, obwohl ihm die Schwangerschaft der einzustellenden Bewerberin bekannt ist. Der Schutz des Mutterschutzgesetzes greift in diesen Fällen also nicht unmittelbar.
Schutz vor Diskriminierung als Ausweg
Dennoch stehen schwangere Arbeitnehmerinnen in Zeitverträgen nicht schutzlos da. Da das Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts auch hier greift, kann die Nichtverlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages eine unzulässige Benachteiligung darstellen - wenn der alleinige oder ausschlaggebende Grund dafür die Schwangerschaft der Arbeitnehmerin ist.
Eine solche Vorgehensweise stellt dann eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar, da eine Schwangerschaft nur bei Frauen auftreten kann. Dies verstößt fundamental gegen europäisches Recht. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat bereits vor geraumer Zeit klargestellt, dass die Weigerung, den befristeten Arbeitsvertrag einer Arbeitnehmerin zu verlängern, weil diese schwanger ist, eine verbotene unmittelbare Diskriminierung darstellt (vgl. EuGH, 04.10.2001 - Az:
C-438/99, C-109/00). Diese Grundsätze sind auch im deutschen Recht, insbesondere über das
Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), verankert.
Liegt eine solche Diskriminierung vor, kann sich der Arbeitgeber nicht auf das rechtmäßige Ende der Befristung berufen. Die Konsequenz ist, dass die Arbeitnehmerin einen Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses haben kann. War geplant, den Vertrag erneut befristet zu verlängern, kann sie dies verlangen. Stand sogar die Umwandlung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis im Raum, kann die Diskriminierung dazu führen, dass ein solches unbefristetes Verhältnis als zustande gekommen gilt. Der Arbeitgeber wird in diesem Fall so behandelt, als hätte er die diskriminierende Entscheidung nicht getroffen.
Was ist hinsichtlich der Mitteilung der Schwangerschaft an den Arbeitgeber zu beachten?
Um rechtlichen Schutz in Anspruch nehmen zu können, ist die Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwangerschaft oft entscheidende Voraussetzung. Im Zusammenhang mit einer Kündigung muss die Mitteilung spätestens zwei Wochen nach deren Zugang erfolgen. Doch auch im Hinblick auf eine mögliche diskriminierende Nichtverlängerung ist es für die Arbeitnehmerin wichtig, den Arbeitgeber rechtzeitig zu informieren.
Die Anforderungen an diese Mitteilung sind dabei nicht übermäßig hoch. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschied, dass bereits die Mitteilung über eine vermutete oder mögliche Schwangerschaft ausreicht, um den Schutzmechanismus auszulösen, sofern tatsächlich eine Schwangerschaft vorliegt (LAG Berlin-Brandenburg, 15.03.2018 - Az:
10 Sa 1509/17). Eine Arbeitnehmerin muss also keine ärztliche Bestätigung abwarten. Es genügt, dem Arbeitgeber mitzuteilen, dass sie vermutlich schwanger sei. Diese arbeitnehmerfreundliche Auslegung trägt der Unsicherheit in den ersten Wochen einer Schwangerschaft Rechnung und soll eine effektive Rechtswahrung ermöglichen.
Entfristungsklage und die Beweislast
Eine Arbeitnehmerin, die der Ansicht ist, ihr Vertrag sei allein wegen ihrer Schwangerschaft nicht verlängert worden, muss ihre Rechte aktiv vor dem Arbeitsgericht einklagen. Hierfür ist eine sogenannte Entfristungsklage (oder Feststellungsklage) gemäß
§ 17 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) zu erheben. Dabei ist eine entscheidende und sehr kurze Frist zu beachten: Die Klage muss zwingend innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des Arbeitsvertrages beim Arbeitsgericht eingereicht werden. Wird diese Frist versäumt, gilt die Befristung als wirksam und die Chance, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durchzusetzen, ist in der Regel vertan.
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