Diesel-Fahrzeug? Möglicherweise können Sie ➠ Schadensersatzansprüche geltend machen!Die Klage einer anerkannten Umweltvereinigung, der Deutschen Umwelthilfe e.V., welche einen Verstoß gegen umweltbezogene Bestimmungen durch eine vorgenommene Handlung oder begangene Unterlassung einer Behörde geltend macht hier: Anfechtungs- und Verpflichtungsklage wegen eines möglichen Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 , ist nach § 42 Abs. 2 Hs. 1 VwGO i.V.m. Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zulässig (Anschluss an EuGH, 08.11.2022 - Az:
C-873/19).
Soweit die Genehmigungsbehörde Kenntnis von einer vorhandenen Abschalteinrichtung hat, fälschlicherweise von einer zulässigen Ausnahme von dem grundsätzlichen Verbot nach Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 ausgeht und diese ausdrücklich mitgenehmigt, liegt eine wirksame, aber rechtswidrige Typgenehmigung vor.
Durch die sog. Freigabe-Bescheide des Kraftfahrt-Bundesamtes, mit welchen die Genehmigungsbehörde bescheinigt, dass die von einem Hersteller von Dieselfahrzeugen vorgestellten Änderungen der Applikationsdaten (Software-Updates) geeignet seien, die Vorschriftsmäßigkeit von Fahrzeugtypen herzustellen, werden alle in diesen vorhandenen Abschalteinrichtungen typgenehmigt, welche gegenüber der Genehmigungsbehörde offengelegt wurden, wenn diese hierzu bescheinigt Die vorhandenen Abschalteinrichtungen wurden als zulässig eingestuft.
Zu den Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, gehören jedenfalls Umgebungstemperaturen zwischen -15 °C und +40 °C. Eine Software der Motorsteuerung, welche unter diesen Bedingungen die Wirksamkeit eines Abgasrückführungssystems verringert, indem sie in Abhängigkeit von den gemessenen Temperaturen durch ein (teilweises) Schließen des Abgasrückführungsventils die Menge der in den Verbrennungskreislauf rückgeführten Abgase reduziert (Thermofenster), ist eine Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007.
Eine Abschalteinrichtung, welche die Wirksamkeit von Emissionskontrollsystemen verringert, ist nicht schon deshalb ausnahmsweise nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a) VO (EG) 715/2007 zulässig, wenn diese Einrichtung notwendig ist, um den bekannten und grundsätzlich vorhersehbaren Problemen der von einem Hersteller verwandten Technik zu begegnen, die sich als Folge des normalen Fahrzeugbetriebes aus dem Betrieb der Einrichtungen zur Emissionsminderung ergeben können, auch wenn es hierdurch langfristig zu weiteren Fehlfunktionen im Fahrzeug kommen kann.
Die Verwendung eines sog. Thermofensters, welches die Wirksamkeit des Abgasrückführungssystems verringert, um dessen Teile vor einer im normalen Fahrzeugbetrieb auftretenden Belagbildung (Verlackung und Versottung) und einer infolge möglichen Fehlfunktion zu schützen, ist unzulässig, auch wenn sich hieraus wiederum ein Risiko für den sicheren Betrieb des Dieselpartikelfilters ergeben kann. Eine solche Einrichtung ist nicht notwendig, um den Motor vor unmittelbaren Risiken in Form von Beschädigung oder Unfall zu schützen, die zu einer konkreten Gefahr während des Betriebs des Fahrzeugs führen. In Ansehung der den Herstellern von Dieselfahrzeugen zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten, ist eine solche Einrichtung auch nicht notwendig, um den sicheren Betrieb eines Fahrzeuges zu gewährleisten. Die verbleibenden Risiken wiegen nicht so schwer, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb eines Fahrzeuges darstellen würden.
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht hat nach mündlicher Verhandlung einer Klage des Deutschen Umwelthilfe e.V. gegen das Kraftfahrt-Bundesamt entschieden, dass eine im Jahr 2016 durch das Kraftfahrt-Bundesamt erfolgte Freigabe für verschiedene Modelle des VW Golf Plus TDI mit dem Motortyp EA 189 rechtswidrig war. Die Freigabe habe nicht erfolgen dürfen, da es sich bei der Verwendung eines sog. Thermofensters bei der Abgasrückführung um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele. Daneben handele es sich auch bei der „Taxi-Schaltung“, die nach 900 Sekunden im Stand die Abgasrückführung reduziert, sowie bei der ab einer Höhe von 1000 m reduzierten Abgasrückführung um unzulässige Abschalteinrichtungen.
Die Kammer hatte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zuvor verschiedene Fragen vorgelegt. Der EuGH hat entschieden, dass der Deutsche Umwelthilfe e.V. zum einen zur Anfechtung der Genehmigung befugt ist und dass zum anderen eine Abschalteinrichtung wie die Thermofenster nur ausnahmsweise zugelassen werden darf, wenn sie zur Vermeidung einer schweren Gefahr für den Motor und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs notwendig ist. Die Kammer verneinte eine derartige Gefahr. Die Rechtsprechung des EuGH betone, dass es um ein unmittelbares Risiko für den Motor gehen müsse. Die Beklagte und die dem Rechtsstreit beigeladene Volkswagen AG hätten technische Probleme anderer Bauteile ihrer Fahrzeuge dargelegt, die zunächst aber nicht direkt den Motor betreffen würden. Eine konkrete Gefahr für den sicheren Betrieb ergebe sich aus diesen nicht.
Das Kraftfahrt-Bundesamt ist im Falle der Rechtskraft des Urteils verpflichtet, geeignete Maßnahmen zur Herstellung rechtmäßiger Zustände zu ergreifen. Der Deutsche Umwelthilfe e.V. habe nach Auffassung der Kammer jedoch keinen Anspruch auf eine bestimmte Maßnahme.