Die Beschwerdeführerin betreibt insgesamt 15 Schuhgeschäfte an verschiedenen Standorten im Freistaat Sachsen mit einer Verkaufsfläche zwischen 120 und 560 Quadratmetern. Sie bietet als Warensortiment u.a. Damen- und Herrenschuhe, orthopädische Schuhe, in der überwiegenden Anzahl der Geschäfte Kinderschuhe sowie Schuhzubehör, Taschen und Geldbörsen an.
Unter dem 1. April 2021 reichte die Beschwerdeführerin beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht eine Normenkontrollklage gemäß § 47 Abs. 1 VwGO, verbunden mit einem Antrag auf einstweilige Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO, gegen § 4 Abs. 1, § 8 Abs. 1 Nr. 1, § 8a Abs. 1 Nr. 1, § 8c Abs. 2, § 8d und § 8f SächsCoronaSchVO vom 29. März 2021 ein.
Mit Beschluss vom 22. April 2021 (Az:
3 B 172/21) lehnte das Sächsische Oberverwaltungsgericht den Eilantrag ab. Zwar sei die Beschwerdeführerin antragsbefugt, weil sie als Betreiberin von Einzelhandelsgeschäften des Schuhhandels von den in den angegriffenen Regelungen angeordneten Öffnungs- und Betriebsuntersagungen bzw. -beschränkungen betroffen sei. Der Antrag sei jedoch unbegründet. Die Prüfung ergebe nicht, dass die angegriffenen Regelungen im Normenkontrollverfahren voraussichtlich nicht standhalten würden.
Die Beschwerdeführerin rügt mit ihrer Verfassungsbeschwerde eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 18 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 und Art. 31 Abs. 1 SächsVerf durch § 4 Abs. 1, § 8 Abs. 1 Nr. 1, § 8a Abs. 1 Nr. 1, § 8c Abs. 2, § 8d und § 8f SächsCoronaSchVO vom 29. März 2021.
Hierzu führte das Gericht aus:
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Beschwerdeführerin den eröffneten Rechtsweg (noch) nicht erschöpft hat.
1. Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 SächsVerfGHG muss ein Beschwerdeführer vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde alle bestehenden Möglichkeiten nutzen, um die behauptete Grundrechtsverletzung zu verhindern oder zu beseitigen. Hat er die Möglichkeit, sein Rechtsschutzbegehren wirksam vor den Fachgerichten zu verfolgen, kann eine Verfassungsbeschwerde erst nach Ausschöpfung dieser Möglichkeit erhoben werden.
2. Dem ist die Beschwerdeführerin nicht gerecht geworden, weil sie zwar am 1. April 2021 einen Antrag auf prinzipale Kontrolle der Regelungen in § 4 Abs. 1, § 8 Abs. 1 Nr. 1, § 8a Abs. 1 Nr. 1, § 8c Abs. 2, § 8d und § 8f SächsCoronaSchVO vom 29. März 2021 gemäß § 47 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 24 Abs. 1 SächsJG beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht gestellt, eine Entscheidung des Gerichts hierüber aber nicht abgewartet hat.
Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, dass die konkret angegriffenen Regelungen zwischenzeitlich außer Kraft getreten sind; ein verwaltungsgerichtlicher Normenkontrollantrag ist auch gegen nicht mehr geltende Rechtsvorschriften zulässig, wenn der Antragsteller ein Interesse an der Feststellung hat, dass die Rechtsvorschrift rechtswidrig und unwirksam war.
3. Eine Entscheidung vor Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2 SächsVerfGHG ist nicht veranlasst.
Über die Verfassungsbeschwerde ist nicht wegen allgemeiner Bedeutung vorab zu entscheiden. Auch wenn die angegriffenen Regelungen den gesamten Einzel- und Großhandel sowie sämtliche Ladengeschäfte mit Kundenverkehr im Freistaat Sachsen betrafen, wirft die Verfassungsbeschwerde nicht allein verfassungsrechtliche Fragen auf, die der Verfassungsgerichthof auch ohne vorherige fachgerichtliche Aufbereitung der tatsächlichen und rechtlichen Entscheidungsgrundlagen einschließlich der Rahmenbedingungen der aktuellen Coronavirus-Pandemie sowie fachwissenschaftlicher – virologischer, epidemiologischer, medizinischer und psychologischer – Bewertungen und Risikoeinschätzungen beantworten könnte.
Es ist der Beschwerdeführerin auch nicht unzumutbar, den Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens abzuwarten. Dem steht nicht entgegen, dass das Sächsische Oberverwaltungsgericht in dem Beschluss vom 22. April 2021 über den Eilantrag hat erkennen lassen, dass seiner Ansicht nach die angegriffenen Vorschriften im Hauptsacheverfahren voraussichtlich standhalten würden. Diese aufgrund einer vorläufigen rechtlichen Bewertung getroffene Entscheidung entfaltet keine (Selbst-)Bindungswirkung für das Gericht. Sie weist auch sonst nicht darauf hin, dass das anhängige Hauptsacheverfahren offensichtlich aussichtlos wäre.
Es ist schließlich weder hinreichend vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Beschwerdeführerin durch ein Zuwarten bis zum Erlass einer Hauptsacheentscheidung im Normenkontrollverfahren vor dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht schwere und unabwendbare Nachteile entstünden. Dies gilt namentlich für die Behauptung der Beschwerdeführerin, aufgrund der in der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom 29. März 2021 angeordneten Geschäftsschließungen einen wirtschaftlichen „Totalausfall“ zu erleiden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass mit Wirkung vom 23. April 2021 in § 28b Abs. 1 Nr. 4 IfSG bundesweit einheitliche Schutzmaßnahmen für den Handel getroffen wurden, soweit die Sieben-Tage-Inzidenz über 100 liegt, was damals im gesamten Gebiet des Freistaates Sachsen der Fall war. Diese die verfahrensgegenständlichen Regelungen der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom 29. März 2021 weitgehend verdrängende bundesrechtliche Regelung gilt für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG durch den Deutschen Bundestag, längstens jedoch bis zum Ablauf des 30. Juni 2021 (§ 28b Abs. 10 IfSG). Unterschreitet während dieser Zeit in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt die Sieben-Tage-Inzidenz den Schwellenwert von 100, greifen nach Maßgabe von § 28b Abs. 2 Satz 1 und 2 IfSG die landesrechtlichen Regelungen wieder. Für diesen Fall sahen die angegriffenen Regelungen in § 8 Abs. 1 Nr. 1 und § 8a Abs. 1 Nr. 1 SächsCoronaSchVO vom 29. März 2021 vor, dass die kommunalen Behörden die Öffnung von nicht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO vom 29. März 2021 privilegierten Geschäften, wenn auch unter Einschränkungen, zulassen konnten.