Nach Art. 86 Abs. 1 BayEUG können zur Sicherung des Bildungs- und Erziehungsauftrags Ordnungsmaßnahmen gegenüber Schülerinnen und Schülern getroffen werden, soweit andere Erziehungsmaßnahmen nicht ausreichen. Mildeste Ordnungsmaßnahme ist der schriftliche Verweis, der als bloße Missbilligung bzw. als erzieherischer Akt in der Art einer Abmahnung mangels Regelungswirkung keinen Verwaltungsakt i.S.v. Art. 35 BayVwVfG darstellt.
Die nach pädagogischen Gesichtspunkten vorzunehmende Beurteilung der Person und deren Verhaltens durch die für den Verweis zuständige Lehrkraft entzieht sich einer vollständigen Erfassung nach rein rechtlichen Kriterien und bedingt daher sachnotwendig als pädagogisches Urteil einen Wertungsspielraum. In diesen Bereich spezifisch pädagogischer Wertungen und Überlegungen haben die Verwaltungsgerichte nicht korrigierend einzugreifen; sie können nicht anstelle der zuständigen Lehrkraft eigene pädagogische Erwägungen anstellen, zu denen sie sachgerecht auch in der Regel nicht in der Lage wären. Trotz dieser Grenzen der gerichtlichen Kontrolle haben die Gerichte aber den gegen die Ordnungsmaßnahme erhobenen Einwendungen nachzugehen und die pädagogische Bewertung der Schule auf ihre Angemessenheit hin zu überprüfen. Sie haben insbesondere zu kontrollieren, ob der Verweis gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit verstößt. Der gerichtlichen Überprüfung unterliegt es ferner, ob die Schule frei von sachfremden Erwägungen entschieden und ob sie ihre Entscheidungen auf Tatsachen und Feststellungen gestützt hat, die einer sachlichen Überprüfung Stand halten.
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin besuchte im Schuljahr 2019/2020 die Jahrgangsstufe 7 der staatlichen Realschule T.
Am 21. Januar 2020 verließ sie zusammen mit zwei weiteren Schülerinnen und mit Erlaubnis ihrer Lehrerin, Frau G., zu Beginn der Englischstunde den Unterricht, um mit der Sozialpädagogin der Jugendsozialarbeit an Schulen, Frau S., ein Gespräch führen zu können. Die Klägerin kehrte nicht mehr in die laufende Englischstunde zurück.
Die Lehrerin Frau G. erteilte der Klägerin unter dem 30. Januar 2020 einen Verweis, weil sie unerlaubt vom Englischunterricht ferngeblieben sei. Sie habe es unterlassen, in den Unterricht zurückzukehren, obwohl die Sozialpädagogin nicht in ihrem Büro angetroffen worden sei.
Nach einer „Gegenvorstellung“ des Vaters der Klägerin bei der Schulleitung erteilte Frau G. der Klägerin am 19. Februar 2020 einen, den ersten ersetzenden, (neuen) Verweis. In dem Verweis wird im Vergleich zum ersten zusätzlich ausgeführt, dass sich an der Tür zum Büro der Sozialpädagogin ein Schild befunden habe, wonach sich Frau S. bei der Schulleitung aufhalte, und dass die Klägerin sowie die beiden anderen Schülerinnen bei dem Gespräch mit der Lehrkraft am 23. Januar 2020 auf die Frage, warum sie nicht im Sekretariat nach der Sozialpädagogin gefragt hätten, nur mit Schulterzucken und auf den Einwand der Lehrkraft, sie würden dort ja auch hingehen, wenn sich ein Lehrer verspäte, sehr verlegen reagiert hätten.
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