Das Verwaltungsgericht Hamburghat beschlossen, das im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festgestellt wird, dass § 5 Abs. 1 Nr. 5 der Verordnung zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in der Freien und Hansestadt Hamburg vom 2. April 2020, zuletzt geändert durch Verordnung vom 18. Mai 2020, dem Betrieb der Spielhalle „[…]“ der Antragstellerin […] in […] Hamburg mit bis zu acht Kunden, im Übrigen nach Maßgabe ihres Hygienekonzepts, nicht entgegensteht, wobei die Antragsgegnerin weitergehende Anordnungen zum Infektionsschutz treffen kann.
Hierzu führte das Gericht u.a. aus:
Die vorübergehende Schließung von Spielhallen stellt einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG) der Antragstellerin dar, der vorliegend aller Voraussicht nach nicht gerechtfertigt ist. Denn die Auswahl der von der vorübergehenden Schließung betroffenen Gewerbebetriebe für den Publikumsverkehr gemäß der Teile 2 und 3 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO (§§ 5 ff.) verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Ungeachtet der Anforderungen, die sich unmittelbar aus Art. 12 Abs. 1 GG ergeben, können Eingriffe in die Berufsfreiheit nur dann Bestand haben, wenn sie auch sonst in jeder Hinsicht verfassungsmäßig sind und insbesondere den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG beachten. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet den Gesetzgeber gemäß der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehrt. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich vielmehr je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Das Gleichheitsgrundrecht ist aber dann verletzt, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sind dabei umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten, namentlich auf die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte freie Berufsausübung, nachteilig auswirken kann.
Die Kammer verkennt nicht, dass dem Verordnungsgeber bei der Beurteilung komplexer Gefahrenlagen, wie sie bei der aktuellen Corona-Pandemie gegeben ist, ein weiter Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Einschätzung der geeigneten, erforderlichen und gebotenen Maßnahmen zukommt. Dies gilt auch für den derzeitigen Versuch, von den vorherigen, sehr strengen Regelungen, die eine vollständige Schließung vieler Bereiche des öffentlichen Lebens sowie eine vielfältige Beschränkung der wirtschaftlichen Betätigung vorsahen, zu einer „Art von Normalität“ zurückzukehren. In Ausnutzung dieses Entscheidungsspielraums hat sich der Verordnungsgeber entschieden, zunächst bestimmte Bereiche versuchsweise einer Öffnung zuzuführen und diese Öffnung gegebenenfalls auf weitere Bereiche auszudehnen. Dieses Vorgehen ist in dem Beschluss anlässlich der Telefonschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 6. Mai 2020 niedergelegt, wenn es dort heißt „[w]enn angesichts auch dieses zweiten großen Öffnungsschritts [insbesondere der Schulen, von Krankenhäusern, Pflegeheimen, Senioren- und Behinderteneinrichtungen sowie von Geschäften] die Neuinfiziertenzahlen weiter niedrig bleiben, sollen die Länder in eigener Verantwortung vor dem Hintergrund landesspezifischer Besonderheiten und des jeweiligen Infektionsgeschehens die verbliebenen Schritte auf der Grundlage von Hygiene- und Abstandskonzepten der jeweiligen Fachministerkonferenzen gehen“. Mit dieser tastenden Herangehensweise geht es zwar einher, dass nicht alle Gewerbebetriebe gleichzeitig wiedereröffnet werden. Dies ist aber solange unbedenklich und für den Betroffenen hinzunehmen, wie der Verordnungsgeber die Ungleichbehandlung sachlich rechtfertigen kann. Denn bei der Ausübung dieses Spielraums ist stets die sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebende Grenze des Verordnungsgebers zu beachten.
An diesem Maßstab gemessen ist die ausnahmslose vorübergehende Schließung von Spielhallen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 5 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO bei gleichzeitiger Öffnungsmöglichkeit von Gaststätten (§ 13 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO) aller Voraussicht nach nicht (mehr) gerechtfertigt.
Die Differenzierung zwischen unterschiedlichen Arten von Gewerbebetrieben bewirkt eine Ungleichbehandlung von Personengruppen. Die Regelungen der HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO führen dazu, dass die Betreiber von Spielhallen – anders als die Betreiber von Gaststätten – ihre Betriebe vorläufig schließen müssen, obwohl beide ihre Gewerbe in geschlossenen Räumen betreiben. Damit stellt sie sich als Ungleichbehandlung von wesentlich gleichen Sachverhalten dar. Für diese Ungleichbehandlung fehlt es aber nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens und auch unter Berücksichtigung der Notwendigkeit von Typisierungen bei abstraktgenerellen Regelungen und angesichts des fortbestehenden Zeitdrucks an hinreichenden sachlichen Gründen. Dabei bestehen angesichts der starken Betroffenheit der Gewerbetreibenden in ihrer Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) durch die vorübergehende ausnahmslose Schließung ihrer Betriebe enge Grenzen für den – eingangs dargestellten – Entscheidungsspielraum des Verordnungsgebers bei der Ausgestaltung der Lockerungen der Verbote der HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO.
Mit Blick auf das Infektionsrisiko handelt es sich bei dem Betrieb einer Gaststätte nach Maßgabe von § 13 Abs. 4 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO und dem Betrieb der Spielhalle der Antragstellerin, den sie entsprechend ihrem gerichtlichen Eilantrag von vornherein auf eine gleichzeitige Anwesenheit von bis zu acht Kunden beschränkt hat, und der unter Zugrundelegung des eingereichten Hygienekonzepts erfolgt, nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens um vergleichbare Sachverhalte.
Der Betrieb der nunmehr durch die Fünfte Verordnung zur Änderung der HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO erfolgten Öffnung von Gaststätten wird gemäß § 13 Abs. 4 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO kumulativ an folgende Voraussetzungen geknüpft: Regelung von Mindestabständen (Nr. 1, 2 und 5), Verbot von Buffets (Nr. 4), Verpflichtung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit unmittelbarem Gästekontakt zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (Nr. 3), Reinigung bestimmter Oberflächen (Nr. 6) und Verpflichtung zur Erfassung, Aufbewahrung und ggf. Vorlage der Kontaktdaten der Gäste (Nr. 7).
Das von der Antragstellerin vorgelegte Hygienekonzept regelt – trotz im Einzelfall bestehender Redundanzen, auch im Vergleich zu den gesetzlichen Verpflichtungen aus § 4 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 und Satz 3 HmbSpielhG und Unterschieden im Vergleich zur Wiedergabe in der Antragschrift – ebenfalls die für den Verordnungsgeber in § 13 Abs. 4 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO als wesentlich erachteten Voraussetzungen. So sind Regelungen zu den Mindestabständen und zur Verpflichtung – sogar der Kunden – zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen enthalten. Außerdem legt das Hygienekonzept auch Pflichten zur Reinigung (insbesondere der Geräte) und zur Nachverfolgung der Kunden durch Erfassung ihrer Kontaktdaten auf.
(2) Sachliche Gründe, die die in der unterschiedlichen Regelung der Öffnung liegende Ungleichbehandlung rechtfertigen, sind nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens nicht auszumachen.
Die Verweildauer in Gaststätten und Spielhallen dürfte in etwa vergleichbar sein. Indem nach dem Hygienekonzept keine Unterhaltungsspiele angeboten werden, dürfte nach Auffassung der Kammer auch ein möglicher „Verweilgrund“ in der Spielhalle entfallen. Soweit die Antragsgegnerin die Annahme als „lebensfremd“ bezeichnet, dass die Spielerinnen und Spieler lediglich an ihren mit Abstand aufgestellten Geräten sitzen, ohne zu kommunizieren, bleibt dies unsubstantiiert. Diese Annahme dürfte auch die Erwägung stützen, dass das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, wie nach dem Hygienekonzept auch bei den Kunden vorgeschrieben, bei der Kommunikation hinderlich ist. Bei der von der Antragsgegnerin geltend gemachten „dem Glücksspiel immanente[n] Aufregung“, die zu einer erhöhten Atemfrequenz der spielenden Personen führe, dürfte ebenso wie bei der „verminderte[n] Eigenkontrolle der spielenden Personen“ zu berücksichtigen sein, dass nach dem Hygienekonzept weitgehende Mindestabstände zu beachten sind und keine (alkoholischen) Getränke ausgeschenkt werden. Soweit sie auf das Risiko einer Kontaktinfektion an den Spielgeräten abhebt und in Frage stellt, dass die Reinigung tatsächlich mit der erforderlichen Sorgfalt durchgeführt wird, wird dem durch den Umstand Rechnung getragen, dass die Antragstellerin nach ihrem Hygienekonzept ihr Personal einweisen und die Geräte nach jedem Spielerwechsel reinigen wird und dies auch zu dokumentieren ist. Es ist zwar naheliegend, dass eine ausnahmslose Schließung leichter zu überwachen ist als eine Öffnung unter „Auflagen“. Entsprechend der dargestellten „schrittweisen Öffnung“ dürfte dies aber hinzunehmen sein, denn es entspricht den Regelungen des Verordnungsgebers. So wird eine Reinigungspflicht auch in Gaststätten gemäß § 13 Abs. 4 Nr. HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO gefordert.
Für die begehrte Feststellung, dass die HmbSARS-Cov2-EindämmungsVO dem Betrieb der Spielhalle der Antragstellerin nicht entgegensteht, besteht auch ein Anordnungsgrund. Die Untersagung ist aller Wahrscheinlichkeit nach rechtswidrig. Aufgrund der Umsatzeinbußen liegen schwere und unzumutbare wirtschaftliche Nachteile für die Antragstellerin vor, deren Beseitigung, wie sie darlegt, durch eine mögliche nachträgliche Öffnung der Spielhallen völlig ungewiss ist.