Ein „Unternehmensübergang“ in Form eines bloßen Gesellschafterwechsels ohne einen Wechsel des Betriebsinhabers bzw.
Arbeitgebers wird von der Richtlinie 2001/23/EG nicht erfasst, auch wenn dort vom „Übergang von Unternehmen“ die Rede ist.
Hierzu führte das Gericht aus:
Soweit die Beklagte zur Stützung ihrer irrigen Rechtsauffassung meint, sich auf die Entscheidung des EuGH „Alemo-Herron“ berufen zu können, unterliegt sie aus Sicht der Kammer offensichtlich gleich mehreren tiefgreifenden Missverständnissen der Rechtsprechung des EuGH und auch der zugrunde liegenden Richtlinie.
Die Richtlinie 2001/23/EG ist schon nach ihrem Wortlaut nicht einschlägig.
Ausgangspunkt der Beurteilung der Richtlinie 2001/23/EG ist zunächst historisch die Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen. Nach deren Begründung sind Bestimmungen notwendig, die die Arbeitnehmer bei einem Inhaberwechsel schützen und insbesondere die Wahrung ihrer Ansprüche gewährleisten. Ausgangspunt der Richtlinie ist also der Schutz der Arbeitnehmer bei einem relevanten Übergang. Ausdrücklich heißt es auszugsweise:
„Artikel 1
(1) Diese Richtlinie ist auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar.
(2) Diese Richtlinie ist anwendbar, wenn und soweit sich das Unternehmen, der Betrieb oder der Betriebsteil, das bzw. der übergeht, innerhalb des territorialen Geltungsbereichs des Vertrages befindet.
(3) Diese Richtlinie gilt nicht für Seeschiffe.
Artikel 2
Im Sinne dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen: a) Veräußerer ist jede natürliche oder juristische Person, die auf Grund eines Übergangs im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 als Inhaber aus dem Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil ausscheidet.
b) Erwerber ist jede natürliche oder juristische Person, die auf Grund eines Übergangs im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 als Inhaber in das Unternehmen, den Betrieb oder Betriebsteil eintritt.
c) Vertreter der Arbeitnehmer sind die Arbeitnehmervertreter nach den Rechtsvorschriften oder der Praxis der Mitgliedstaaten, mit Ausnahme der Mitglieder der Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgane von Gesellschaften, die diesen Organen in bestimmten Mitgliedstaaten als Arbeitnehmervertreter angehören.“
Die Richtlinie 2001/23/EG des Rates hat die Richtlinie 77/187/EWG erheblich modifiziert. Nunmehr findet sich in den Artikeln 1 und 2 folgender Text:
„Artikel 1
1. a) Diese Richtlinie ist auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- bzw. Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar.
b) Vorbehaltlich Buchstabe a) und der nachstehenden Bestimmungen dieses Artikels gilt als Übergang im Sinne dieser Richtlinie der Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit.
c) Diese Richtlinie gilt für öffentliche und private Unternehmen, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, unabhängig davon, ob sie Erwerbszwecke verfolgen oder nicht. Bei der Übertragung von Aufgaben im Zuge einer Umstrukturierung von Verwaltungsbehörden oder bei der Übertragung von Verwaltungsaufgaben von einer Behörde auf eine andere handelt es sich nicht um einen Übergang im Sinne dieser Richtlinie.
2. Diese Richtlinie ist anwendbar, wenn und soweit sich das Unternehmen, der Betrieb oder der Unternehmens- bzw. Betriebsteil, das bzw. der übergeht, innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Vertrages befindet.
3. Diese Richtlinie gilt nicht für Seeschiffe.
Artikel 2
1. Im Sinne dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:
a) „Veräußerer“ ist jede natürliche oder juristische Person, die aufgrund eines Übergangs im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 als Inhaber aus dem Unternehmen, dem Betrieb oder dem Unternehmens- bzw. Betriebsteil ausscheidet.
b) „Erwerber“ ist jede natürliche oder juristische Person, die aufgrund eines Übergangs im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 als Inhaber in das Unternehmen, den Betrieb oder den Unternehmens- bzw. Betriebsteil eintritt.
c) „Vertreter der Arbeitnehmer“ oder ein entsprechender Ausdruck bezeichnet die Vertreter der Arbeitnehmer nach den Rechtsvorschriften oder der Praxis der Mitgliedstaaten.
d) „Arbeitnehmer“ ist jede Person, die in dem betreffenden Mitgliedstaat aufgrund des einzelstaatlichen Arbeitsrechts geschützt ist.
2. Diese Richtlinie lässt das einzelstaatliche Recht in Bezug auf die Begriffsbestimmung des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses unberührt.
Die Mitgliedstaaten können jedoch vom Anwendungsbereich der Richtlinie Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse nicht allein deshalb ausschließen, weil
a) nur eine bestimmte Anzahl von Arbeitsstunden geleistet wird oder zu leisten ist,
b) es sich um Arbeitsverhältnisse aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags im Sinne von Artikel 1 Nummer 1 der Richtlinie 91/383/EWG des Rates vom 25. Juni 1991 zur Ergänzung der Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmern mit befristetem Arbeitsverhältnis oder Leiharbeitsverhältnis(6) handelt,
c) es sich um Leiharbeitsverhältnisse im Sinne von Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie 91/383/EWG und bei dem übertragenen Unternehmen oder dem übertragenen Betrieb oder Unternehmens- bzw. Betriebsteil als Verleihunternehmen oder Teil eines Verleihunternehmens um den Arbeitgeber handelt.“
Bei dem Vergleich beider Regelungen fällt auf, dass Richtlinie 2001/23/EG nunmehr ausdrücklich auch den Begriff des „Übergangs“ klarstellt. Als solcher gilt „der Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit“.
Der Begriff des „Übergangs“ in diesem Sinne ist nun aber nicht gleichbedeutend mit einem Gesellschafterwechsel. Entscheidend ist der Wechsel des Rechtsträgers.
Dieses Verständnis des Wortlautes der Regelung liegt aus Sicht der Kammer auch jeder einschlägigen Rechtsprechung des EuGH zugrunde. Schon in den Schlussanträgen des Generalanwaltes Cosmas vom 10.05.1995 im Verfahren „Rygaard“ findet sich folgender instruktiver Hinweis:
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