Scheidung: unkompliziert, günstig und schnell - ➠ jetzt informierenEs übersteigt regelmäßig die an einen durchschnittlichen Rentenversicherten zu richtenden Sorgfaltsanforderungen, einen umfangreichen und schwer verständlichen Altersrentenbescheid aufmerksam zu Ende zu lesen, weil den Angehörigen sehr breiter Bevölkerungsschichten auch ein – wie hier – so gut als eben möglich formulierter Rentenbewilligungsbescheid wegen seiner in weiten Teilen unumgänglich komplizierten Darstellungen als ein bürokratisches und schlechterdings unbegreifliches Ungetüm anmutet.
Im Fall eines Rentenversicherten mit einem sehr niedrigen Bildungsniveau und fehlender Übung im Umgang mit bürokratischen Ungetümen dieser Art ist im altersrentenberechtigenden Alter aufgrund seines nicht übermäßigen Textverständnisses davon auszugehen, dass er außerstande ist, die in Altersrentenbewilligungsbescheiden notwendiger Weise niedergelegten, tatsächlich und rechtlich sehr komplexen Sachverhalte gedanklich in ihren Einzelheiten zu durchdringen.
Ein solcher Rentenversicherter genügt daher seinen Sorgfaltspflichten auch dann, wenn er von dem untauglichen Versuch, ein Verständnis derartiger Bescheide zu entwickeln, nach der probeweisen Lektüre der ersten ein bis zwei Seiten Abstand nimmt, falls die von der Rentenversicherung errechnete Rentenhöhe nicht ausnahmsweise erheblich von der in Anbetracht des individuellen Versicherungsverlaufs von ihm subjektiv zu erwartenden Rentenhöhe abweicht.
Altersrentenleistungsempfänger mit niedrigem Bildungsniveau sind gerade nicht gehalten, wieder und wieder sinnlos ihre Rentenbewilligungsbescheide vollständig zu studieren, obwohl dies ohnehin zu nichts führt, da ohne eine fachkundige und ausführliche mündliche Beratung nach § 14 SGB I für sie persönlich auch bestens formulierte Rentenbescheide ein Buch mit sieben Siegeln bleiben, solange sie vom Rentenversicherungsträger mit deren Lektüre auf sich allein gestellt bleiben.
Das Bundessozialgericht hat sich bereits vor Jahrzehnten zur Risikoverteilung in Fällen vergleichbarer Art in erhellender Form wie folgt geäußert:
Fehlt es an Anhaltspunkten für eine Fehlerhaftigkeit der Bewilligungsbescheide, dürfte der Kläger keinen Anlass gehabt haben, die Bemessungsfaktoren an Hand des auf der Rückseite der Bewilligungsbescheide mitgeteilten Schemas oder des Merkblatts zu überprüfen oder nachzufragen, um zwar erkennbare, aber nicht wahrgenommene Unstimmigkeiten (…) aufzudecken.
Der Antragsteller darf davon ausgehen, dass eine Fachbehörde nach den für die Leistung erheblichen Tatsachen fragt und seine wahrheitsgemäßen Angaben zutreffend umsetzt. Das gilt auch, soweit Antragsteller über ihre Rechte und Pflichten durch Merkblätter aufgeklärt werden, die abstrakte Erläuterungen über Voraussetzungen von Ansprüchen und deren Bemessung enthalten.
Andernfalls würde Begünstigten durch Merkblätter das Risiko für die sachgerechte Berücksichtigung von eindeutigen Tatsachen durch eine Fachbehörde aufgebürdet. Auch bei der Berücksichtigung der Vielfalt von Aufgaben und der Vielzahl der zu bearbeitenden Vorgänge ist es aber gerade die Aufgabe der Fachbehörde, wahrheitsgemäße tatsächliche Angaben von Antragstellern rechtlich einwandfrei umzusetzen und dies Betroffenen in der Begründung des Bescheids deutlich zu machen (BSG, 08.02.2001 – Az: B 11 AL 21/00 R).
Da Rentenversicherten mit einem sehr niedrigen Bildungsniveau und fehlender Übung im Umgang mit bürokratischen Ungetümen bereits die vollständige aufmerksame Lektüre ganzer Rentenbewilligungsbescheide nicht zugemutet werden kann, kann es erst recht regelmäßig nicht als grob fahrlässig angesehen werden, wenn sie lediglich einen unrichtigen zwei-buchstabigen Präfix auf Seite 28 eines solchen Ungetüms übersehen und nicht selbständig schwierige Erwägungen zu den Rechtswirkungen ihrer Scheidung auf ihre Rentenanwartschaft anstellen, um von selbst zu erkennen, dass ihnen ein Abschlag anstelle eines Zuschlags an Entgeltpunkten hätte angerechnet werden müssen. Dergleichen sticht Rentenversicherten ohne nennenswerte akademische Bildung und/oder Berufserfahrung mit einer Erwerbsbiographie bestehend aus im Wesentlichen geistig wenig anspruchsvollen Berufstätigkeiten gerade nicht ins Auge.