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Wohnungsbegehung ist keine Durchsuchung

Mietrecht | Lesezeit: ca. 7 Minuten

Das bauaufsichtliche Betreten und Besichtigen einer Wohnung stellt keine Durchsuchung in diesem Sinne dar, da es nicht um das Auffinden einer Person oder das Auffinden und Sicherstellen von Sachen und Spuren geht. Daher kann sich ein Wohnungseigentümer einer Wohnungsbegehung durch die Bauordnungsbehörde nicht unter Berufung auf einen fehlenden Gerichtsbeschluss widersetzen.

Hierzu führte das Gericht aus:

Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich kein Grund für eine Zulassung der Revision.

1. Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Rechtsfrage auf, ob die von der Beklagten auf der Grundlage von § 59 Abs. 4 Satz 2 LBauO angeordnete Bauzustandsbesichtigung eine Durchsuchung im Sinne von Art. 13 Abs. 2 GG darstellt oder den Eingriffen und Beschränkungen des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung im Sinne von Art. 13 Abs. 7 GG zuzuordnen ist. Diese Rechtsfrage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, weil sie sich auf der Grundlage der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne weiteres beantworten lässt.

Wie das Bundesverfassungsgericht in Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht bereits mehrfach entschieden hat, ist für eine Durchsuchung im Sinne des Art. 13 Abs. 2 GG das ziel- und zweckgerichtete Suchen staatlicher Organe nach Personen oder Sachen oder zur Ermittlung eines Sachverhalts kennzeichnend. Zweck der Durchsuchung ist es, etwas aufzuspüren, was der Inhaber der Wohnung von sich aus nicht herausgeben oder offen legen will. Durchsuchungen sind danach Mittel zum Auffinden und Ergreifen einer Person, zum Auffinden, Sicherstellen oder zur Beschlagnahme einer Sache oder zur Verfolgung von Spuren. „Durchsuchen“ bedeutet in diesem Zusammenhang, in der Wohnung „etwas nicht klar zutage Liegendes, vielleicht Verborgenes aufzudecken oder ein Geheimnis zu lüften“.

Es liegt auf der Hand, dass der Tatbestand einer Durchsuchung nicht - wie die Klägerin meint - immer schon dann vorliegt, wenn bei dem Betreten und der Besichtigung einer Wohnung Dinge wahrgenommen werden, die offen zutage liegen, die der Wohnungsinhaber aber gern vor den zuständigen Behörden geheim halten möchte. Die Befugnis zum Betreten und Besichtigen einer Wohnung, die den Bauaufsichtsbehörden zur Wahrnehmung ihrer Aufgabe eingeräumt wird, die Nutzung baulicher Anlagen daraufhin zu überwachen, ob sie die öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften einhalten, verfolgt gerade nicht - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt - den Zweck, in der Wohnung verborgene Dinge oder Sachverhalte „aufzuspüren“. Das bauaufsichtsbehördliche Betreten einer Wohnung fällt in den Anwendungsbereich des Art. 13 Abs. 7 GG. Insoweit gilt für das Betretungs- und Besichtigungsrecht der Bauaufsichtsbehörden nichts anderes als für die gesetzlichen Betretungs- und Besichtigungsrechte der Überwachungsbehörden auf den Gebieten des Apotheken-, Handwerks- und Lebensmittelrechts.

2. Die Rechtsfragen, die die Beschwerde zu dem Erfordernis der Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 13 Abs. 7 GG aufwirft, rechtfertigen die Zulassung der Revision ebenfalls nicht. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass Art. 13 Abs. 7 GG nicht den Eintritt einer konkreten Gefahr voraussetzt. Eingriffe und Beschränkungen des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung sind bereits dann zulässig, wenn sie dem Zweck dienen, einen Zustand nicht eintreten zu lassen, der seinerseits eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen würde.

Im Übrigen erschöpft sich das Beschwerdevorbringen zum Erfordernis einer dringenden Gefahr und zur Verhältnismäßigkeit der hier umstrittenen Bauzustandsbesichtigung in Angriffen gegen die tatrichterliche Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung, ohne einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf aufzuzeigen. Der Vorwurf der unrichtigen Anwendung von Rechtsgrundsätzen, die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts oder des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellt worden sind, ist nicht geeignet, die grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage darzulegen. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.

3. Die Rechtsfragen, die die Beschwerde zum Problem der „Verwirkung und Duldung“ aufwirft, sind nach den tragenden Gründen des Berufungsurteils nicht entscheidungserheblich. Sie wären deshalb in einem Revisionsverfahren nicht klärungsbedürftig.

4. Soweit die Beschwerde geltend macht, das Berufungsurteil weiche von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. September 1974 - Az: 1 C 17.73 - ab, genügt sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Eine die Revision eröffnende Divergenz, also ein Widerspruch im abstrakten Rechtssatz, läge im Übrigen nur vor, wenn das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen wäre. Aus den oben unter 1. und 2. dargelegten Gründen ist das nicht der Fall.


BVerwG, 07.06.2006 - Az: 4 B 36/06

ECLI:DE:BVerwG:2006:070606B4B36.06.0

Vorgehend: OVG Rheinland-Pfalz, 15.02.2006 - Az: 8 A 11500/05.OVG

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